Eine Miese Tour

(eine Kurzgeschichte von Kirsten Nähle)

 

Barcelona sollte der Höhepunkt unseres Campingurlaubs in Spanien werden. Zwei Wochen waren mein Freund Sebastian und ich schon durch das Land getourt, über die Pyrenäen ins überraschend regenreiche Baskenland mit San Sebastián und Bilbao, weiter nach Alt-Kastilien mit der wunderschönen Universitätsstadt Salamanca und schließlich durchs trockene Kastilien-La Mancha, wo uns Toledo am meisten begeisterte.

 

Sebastians Eltern hatten uns netterweise ihren alten Mazda für die Semesterferien geliehen. Dessen groβzügiger Kofferraum verbarg unsere Freiheit in Form von Zelt und Campingkocher, die wir auspackten, wann wo immer es uns gefiel.

 

Verliebt und voller Vorfreude sah ich meinen Freund vom Beifahrersitz aus an. Der war allerdings sehr konzentriert auf den Verkehr in der katalanischen Hauptstadt.

 

„Bin ich froh, dass du fährst“, gab ich dann auch ehrlich zu.

 

„Das Ganze wäre auch nicht so schlimm, wenn die Spanier vernünftig Auto fahren würden“, brummelte er zurück.

 

Wir stoppten gerade an einer Ampel, als mir ein Moped auffiel, das direkt neben unserer Fahrertür anhielt. Der Beifahrer des Zweirads sah mich eindringlich an und deutete wild gestikulierend auf unseren Wagen. Ich verstand erst, als Sebastian wieder anfuhr und der Mann immer noch – und diesmal direkter – auf unseren Hinterreifen zeigte.

 

„Oh nein. Fahr rechts ran. Wir haben einen Platten.“

 

Mein Freund stöhnte. „Mist! Warum muss uns das ausgerechnet am Ende des Urlaubs noch passieren? Nur gut, dass wir ein Ersatzrad dabeihaben.“

 

Das Moped hielt mit uns an. Ich bedankte mich bei den zwei Spaniern für ihren Hinweis und wollte mich dann wieder meinem Freund zuwenden, der bereits den Reservereifen aus dem Kofferraum hievte, als einer der Helfer vom Moped stieg.

 

„Es gibt eine Werkstatt nicht weit von hier“, erklärte der junge Sozius.

 

„Wir wechseln den Reifen selbst“, antwortete ich auf Spanisch, aber mein Gegenüber schien das nicht zu überzeugen. Er bot an, Hilfe aus der Werkstatt zu holen oder einen von uns dort hinzufahren.

 

„Sag ihm, wir kommen klar“, sagte Sebastian ungeduldig und begann, den platten Reifen abzumontieren. „Ich könnte dich hier gebrauchen. Zu zweit geht’s schneller.“

 

Ich diskutierte weiter, um den Mann abzuwimmeln, brauchte aber doch noch eine ganze Weile, bis er aufgab und abzog. Ich wunderte mich, dass sein Kollege anscheinend schon allein weitergefahren war. Den hatte ich gar nicht mehr beachtet. Sebastian wohl auch nicht, denn er war schwer damit beschäftigt, die Schrauben am neuen Reifen festzuziehen. Viel blieb mir nicht zu tun.

 

„Entschuldige, aber ich weiβ nicht, warum der so hartnäckig war. Mein Spanisch ist ja sehr gut, ich glaube also nicht, dass es Verständigungsprobleme gab.“

 

„Na ja, das waren ja auch keine Spanier. Sahen eher wie Zigeuner oder Marokkaner aus“, meinte mein Freund.

 

Wir waren froh, dass wir endlich weiterfahren konnten. Schließlich wartete Barcelona auf uns. So fuhr Sebastian ins nächstgelegene Parkhaus. Ich stieg aus und öffnete die Hintertür, um meine Handtasche vom Rücksitz zu holen. Mir blieb die Luft weg. Ungläubig starrte ich ins Wageninnere.

 

„Was ist los, Schatz? Du bist ganz blass.“ Sebastians Blick wanderte von mir zum Rücksitz, dann entfuhr ihm ein Wutschrei.

 

„Meine Kamera ist weg!“

 

„Meine Handtasche auch. Mit Geld, Ausweis und EC-Karte.“ Tränen stiegen mir in die Augen, als mir langsam dämmerte, was passiert war. „Der hat uns total abgelenkt und sein Kumpel … wieso war der Wagen auf?“

 

„Sorry. Ich habe wohl vergessen, nach dem Aussteigen abzuschlieβen … aber wie konnte ich auch ahnen … ich war so mit dem Reifen beschäftigt …“

 

„Ich muss sofort meine Karten sperren.“

 

Mein Freund nickte. „Gut, dass ich mein Geld immer bei mir trage, sonst wären wir jetzt komplett aufgeschmissen. Und eine Kopie von deinem Personalausweis haben wir auch.“

 

Nach dem Anruf bei meiner Bank in Deutschland beschlossen wir, Anzeige bei der Polizei zu erstatten. Der Beamte, dem ich die Geschichte erzählte, antwortete gelangweilt:

 

„Ganz bekannter Trick. Mit Blasrohr auf die Autoreifen von Touristen schieβen und dann die netten Helfer spielen. Rechnen Sie mal nicht damit, Ihre Sachen wiederzusehen. Genieβen Sie lieber Barcelona.“

    

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